Dr. Karin Graf bezieht Stellung zur aktuellen Situation der vorschulischen Kinderbetreuung in Ulm.
In Ulm gibt es erfreulicherweise mehr Kinder als gedacht, sei es durch Zuzug oder durch mehr Geburten. Die Stadt hat darauf reagiert und das demografische Gutachten, das die Grundlage für die städtische Bedarfsplanung für die vorschulische Kinderbetreuung darstellt, überarbeitet.
Allerdings bewirkt die an sich erfreuliche Entwicklung aktuell, dass erheblich Plätze fehlen. Bei den über 3jährigen (Ü3) fehlen rechnerisch 6 Gruppen (150 Plätze), bei den unter 3jährigen (U3) 6-7 Gruppen (66 Plätze).
Zudem ist das Ganztagesangebot für über 3jährige unzureichend. Hier müssen Regelplätze in Ganztagesplätze (ca. 600) umgewandelt werden, da wir vom Ziel eines 50%igen Angebots an Ganztagesplätzen mit 33,9% deutlich entfernt sind. Bei den unter 3 jährigen ist das Ziel jedoch erreicht. Hier können wir zufrieden sein - das Angebot an Ganztagesplätzen macht 51,6% der Plätze aus.
Handlungsbedarf sehen wir vor allem in Böfingen, wo die Versorgungsquote Ü3 nur bei 90,6 % liegt. Es fehlen 64 Plätze. Zusammen mit meiner Kollegin Barbara Münch habe ich bereits im August 2016 einen Antrag an die Stadtverwaltung gestellt. Wir haben darauf hingewiesen, dass die Nachfrage nach Betreuungsplätzen in Böfingen und speziell im Neubaugebiet Lettenwald hoch ist und voraussichtlich auch im kommenden Jahr nicht befriedigt werden kann. Deshalb haben wir schon damals vorgeschlagen zu prüfen, ob auf Grund der Bedarfszahlen die Einrichtung weiterer Kindergartengruppen erforderlich ist – was unseres Erachtens der Fall war und jetzt ist – und baldmöglichst mit der UWS Kontakt aufzunehmen, um im Rahmen der Planungen für das Neubauvorhaben Otl-Aicher-Allee 22 eine Kindertagesstätte zu integrieren. Leider war dies aus mehreren Gründen nicht umsetzbar.
Weiterer Handlungsbedarf ist in Wiblingen bei der U3-Betreuung gegeben. Die Versorgungsquote liegt bei 37.1 %, sollte aber laut Vereinbarung 43% betragen. Das heißt, es fehlen 30 Plätze. Auch in den anderen Stadtteilen fehlen zwischen 5 und 35 Plätzen, allein in der Weststadt ist die Versorgung sowohl im Ü3-Bereich (101,1%) als auch im U3-Bereich (42,6%) gut.
Unseres Erachtens sind wir als Stadt gefordert, den Rechtsanspruch mit einem entsprechenden Angebot zu befriedigen. Dies ist auch als Zielsetzung in der städtischen Bedarfsplanung für 2017/18 ausdrücklich so formuliert Wir schlagen daher vor
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Kurzfristig Notgruppen zu schaffen und Plätze in Betriebs-Kitas, in der Tagespflege und durch eventuelle Umstrukturierung in bestehenden städtischen und durch andere Träger betriebenen Einrichtungen zu suchen sowie Wohnungen und/oder städtische Räume als Übergangslösung für Betreuungsangebote anzumieten. Dies muss die Stadt so schnell wie möglich prüfen und umsetzen.
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Keine Gruppen/Einrichtungen zu schließen, sondern alle verfügbaren Plätze zur Verfügung zu stellen. Ein gutes Beispiel ist die Kita Schloßstraße in Wiblingen, die unterjährig wieder eröffnet wurde.
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Mittelfristig weitere Einrichtungen zu bauen, v.a. auch endlich die Sozialraum-Kita in Wiblingen, die, obwohl schon länger geplant, immer wieder von der Umsetzungsliste verschwindet.
- Um schnell in die Umsetzung zu kommen, schlagen wir erneut eine
Kooperation mit der städtischen Wohnbaugesellschaft UWS vor, die u.E. in ihre geplanten Neubauten Betreuungseinrichtungen integrieren könnte. Dies sollte so rasch wie möglich geprüft werden. Die von der UWS angedachte Kita im geplanten Bau im Wiblinger Hart 4 halten wir für eine gute und zeitnah umzusetzende Idee.
- Die Schaffung weiterer Ganztagesplätze voranzutreiben. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das Angebot von Ganztagesplätzen eine unbedingte Voraussetzung und es ist nicht sinnvoll, wenn im U3-Bereich die entsprechenden Möglichkeiten (mutmaßlich) gegeben sind, es im Ü3-Bereich aber zu Engpässen kommt.
- Um in den nächsten Jahren nicht erneut durch Bedarfsänderungen überrascht zu werden, halten wir eine erneute Befragung zum Betreuungsbedarf bei U3 für nötig. Wir glauben, dass wir mit unserer aktuell angestrebten Versorgungsquote von 43% zu niedrig liegen.
- Wir halten zudem eine erneute Personaloffensive seitens der Stadt für erforderlich, denn für zusätzliche Gruppen werden nicht nur Räume, sondern auch Betreuungskräfte benötigt.
Wir begrüßen, dass die Verwaltung kurzfristig Möglichkeiten zur Erhöhung der Platzzahlen prüfen will und hoffen, dass sie damit schon begonnen hat, damit wir baldmöglichst einen Vorschlag auf dem Tisch haben. Kinder und Eltern warten auf Betreuungsplätze.
Im Sinne der Integration der Flüchtlingskinder halten wir eine schnelle Bereitstellung zusätzlicher Plätze ebenfalls für dringend geboten.
Wir werden im Frühsommer dieses Jahres eine Bau-Prioritätenliste im Gemeinderat diskutieren. Der Bau von Betreuungseinrichtung hat für uns hohe Priorität. Dafür sind wir auch bereit, die nötigen Finanzmittel bereit zu stellen. Wir halten eine flexible Bauweise, bei der die Gebäude später für andere Nutzungen umgewandelt werden können, für nachhaltig und zielführend.